von T. Schwanke
  Der deutsche Tag
 

       

                             Ein deutscher Tag

Neulich saß ich in der Straßenbahn, die seit geraumer Zeit auch Tram oder Metro hieß.
Ich verabscheue die Umbenennung deutscher Wörter. Wozu dem Kind einen neuen Namen geben, wenn es schon einen Namen hat, den jeder versteht oder verstehen sollte, wenn er in Deutschland lebt, wohnt und arbeitet. So wie ich.
Viele Leute bevorzugten es schon am frühen Morgen ihr Handy in Betriebstemperatur zu massakrieren. Sie chatteten, simsten, surften, twitterten oder plauderten auch mit anderen Menschen, welches der eigentliche Sinn eines Mobiltelefons war.
Richtig störend war für mich aber mein Vordermann, dessen laute Musik, aus den beiden Knöpfen in seinen Ohren, auch in die Meinen drang. Auch ich hörte gern Musik, im Radio.
Nur nicht die andauernd schallenden Lobeshymnen, wie gut und toll doch die Sender wären, wie nur sie die Super-Hits spielten, das Beste von damals oder das Neueste von heute. Wenn die Sendungen sich auch noch Breakfast-Club, Morning-Crew oder After-Work-Lounge nannten, schaltete ich meist ab. Die Zuhörer würden auch weiterhin beim Frühstücksklub, bei der Morgenmannschaft oder beim Rekeln nach der Arbeit Radio hören.
Auf die Anfrage an meinen Vordermann, ob er denn sein Datenabspielgerät leiser machen könne, erhielt ich zur Antwort ein:
Fick dich, Scheiße du, das I-Pod, weißt!
Der ersten Aufforderung konnte ich nicht nachgehen, da ich kein eingeschlechtlicher Zwitter war, der mich so doll lieben würde, um mich selbst zu ficken. Nachdenklich machte mich die untypologische Satzgliederung. Und was machte sein Ei in einem Pott?
Außerdem zeigte er mir noch den Effenberg, auch mittlerer Stinkefinger genannt. Warum ausgerechnet der Mittelfinger stinken sollte, wusste ich nicht. Vielleicht wollte er mir aber auch nur den Weg Mohammeds oder Allahs zeigen?
Ich ging dem gereizten Braunbär mit schwarzem Fell diplomatisch aus dem Weg, stieg an der nächsten Haltestelle aus und ging den Rest des Weges zu Fuß.
Am Ziel angekommen blieb ich stehen und las die Schrift über dem Eingang. Office-Tower.
Büro-Turm, sollte ich den Fahrstuhl nehmen oder eine Büroangestellte rufen, die ihre langen, blonden Haare hinunter warf.
Ein Schnuppertag in einem Büro einer Werbeagentur stand mir bevor.
Von der Mannschaft wurde ich herzlich willkommen geheißen, die sich selbst ein Team nannten. Mir wurde ein ebenso junger Mann zur Seite gestellt, der mich diesen Tag begleiten sollte und dessen Achselgeruchsneutralisator schon am Morgen versagte.
Damit nicht auch bei mir unangenehme Transpirationsgerüche auftraten, entledigte ich mich meiner Jacke, wobei jede Menge Feuerzeuge heraus fielen. Auf die Frage, ob ich ein kleiner Pyromane sei, antwortete ich: Nee, ein großer Deutscher!
Zunächst wurde ich der leitenden Office-Managerin vorgestellt, die sich als dienstälteste Sekretärin entpuppte. Ihr Körper besaß die Eigenschaft einer fetten Masse, so dass es laut dem Trägheitsgesetz außerordentlich großer Kraft bedurft hätte, diese in Bewegung zu setzen.
Mein ständiger Begleiter berichtete mir, dass es nun an der Zeit war, zum morgendlichen Briefing mit dem Management anzutreten, wo jeder Hand-outs erhielt. Es ging um ein Expose` mit anschließendem Brainstorming.
Oh man, ich verstand nur, das der Hogwarts-Express vom Bahnsteig 9³/4 losfuhr.
Nun mal langsam. Ging es bei der Verwaltung um Briefe schreiben, wobei der Langsamste die Hände verlor? War Expose` vielleicht eine Art Obstsalat, den man in stürmischer Zeit zu Brei quirlen sollte?
Vorsicht am Bahnsteig, mein Gehirn fuhr los!
Als eintägiger Besucher im Rahmen eines Tagespraktikums, erhielt ich von dem jungen Mann an meiner Seite eine andere, spezielle Aufgabe. Ich sollte ihm eine File downloaden.
Ist der schwul? Sollte ich ihm seine Feile runterholen? Die haben doch hier alle einen Knall.
Ich lehnte ab.
Dann sollte ich mich bei der Office-Managerin einloggen und ihr beim Backup helfen, denn beim updaten entstehen neue Bugs.
Jetzt noch langsamer. Mit der fetten Sekretärin mach ich schon mal gar nichts, schminken kann die sich alleine, wenn das überhaupt noch helfen sollte. Treffen kann sich hier wer mit wem auch immer. Und wenn hier außerirdische Kriegswesen entstehen, möchte ich damit nichts zu tun haben.
Erstaunt schaute mich mein Eintagsbegleiter an und meinte, dass der Job doch nicht das Richtige für mich sei. Das hier wäre nicht nur Just for Fun, man braucht hier Know-how. Ich wurde aufgefordert den Lift zu nehmen, ordentlich zu brunchen und mir beim Chill-out zu Hause alles noch mal durch den Kopf gehen zu lassen.
Ich sagte Tschüß und nahm dann doch lieber den Fahrstuhl. Ich wollte so schnell wie möglich nach Hause, etwas essen und mich dann ausruhen. Durch den Kopf wollte ich mir das hier nicht mehr gehen lassen.
In der Straßenbahn saß vor mir erneut ein schwarzhaariger Braunbär, mit lauten Knöpfen im Ohr. Bevor er mich mit gereiztem Ton abermals zur sexuellen Selbstbefriedigung auffordern konnte, stupste ich ihn an und schrie:
Wenn du nicht augenblicklich dein Datenabspielgerät ausstellst, hetze ich dir eine fette Office-Managerin auf den Hals, die dir mit ihrem Make-up dein Brain stormt, so dass deine Hände sich outen und du deine Feile nicht mehr downloaden kannst!
Diesmal verließ er die Straßenbahn, ohne mir den Weg Allahs zu zeigen.

 

 

 

 

 

                                                   

 

 

 

 


 
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