von T. Schwanke
  Nierenbeckenentzündung
 

 

Nach einer langweiligen, schlaflosen Nacht als Wachsoldat der 3. Inspektion in unserer Kaserne freute ich mich am frühen Morgen auf die Wachablösung und anschließend auf ne Mütze voll Schlaf. Ich war müde, mir war kalt und draußen herrschte nasskaltes Novemberwetter, was auch unser Stabsfeldwebel, der grad zum Dienst kam, bestätigte.Ich salutierte und meldete ihm keine nächtlichen besonderen Vorkommnisse.
„Flieger Schwanke, ihnen kann ich es ja schon mal sagen. Nachher, groß angelegte Truppenübung, simulierter Hubschrauberabsturz, viele Verletzte. Packen se mal schon ihr Marschgepäck!“.
Mit einem Lächeln verließ der Stabsfeldwebel das Wachzimmer und ließ mich mit meinem überraschten Blick zurück. Verdammt ich war müde, mir war kalt. Ich will ins Bett!
Ich schaute aus dem Fenster und malte mir aus, wie ich durchnässt und frierend auf dem kalten Waldboden umherrobben würde.
Nee, auf gar keinen Fall, nee.
Schwanke, alter Sani, lass dir was einfallen, dachte ich. Es muss doch was geben, sich davor drücken zu können. Nach zwei schnellen Zigaretten und mit ein wenig Wasser im Gesicht, was nach Kaltschweißigkeit aussehen sollte, meldete ich mich nach der Wachübergabe beim Stabsfeldwebel.
Meine Grundkenntnisse als Krankenpfleger über somatische Erkrankungen erwiesen sich zu meinem Vorteil.
„… ja und dann musste ich mindestens 12-mal aufs Klo. Es kamen aber jedes Mal nur Tröpfchen raus und es brannte. Na und dann diese Rückenschmerzen.“,zeigte dabei mit beiden Händen auf meinen Nierenbereich, „Was kann dann das nur sein?“
Der kleine, untersetzte Stabsfeldwebel, selbst schon im fortgeschrittenen Alter mit graumeliertem Haar, nickte verständnisvoll und verzog mitfühlend das Gesicht. Sicher hatte er schon einmal an sich selbst das erfahren, was ich grad eben beschrieb.
„Flieger Schwanke, sie sind für heute von der Truppenübung befreit. Melden sie sich umgehend beim Stabsarzt in der San-staffel. Wegtreten!“
Gehorsamst meldete ich mich ab und verließ, doch leicht übertrieben, mit schmerzerfülltem Gesichtsausdruck sein Zimmer.
Auf unserer Stube herrschte mittlerweile ein kleines Chaos, denn der Alarm zur Truppenübung wurde soeben  über die Lautsprecher bekannt gegeben. Während Uwe und meine anderen Kameraden schimpfend, fluchen und unterschwellig gereizt ihr Marschgepäck zusammen packten, zog ich meinen Trainingsanzug an und berichtete ihnen, diesmal mit lächelndem Gesicht, von meinem Leiden.
Uwe lachte lauthals: „Hey Sani, Alter, das ist ja richtig clever von dir.“ Er klopfte mir auf die Schulter und musste sich anschließend spurten, rechtzeitig fertig zu werden.
„ Grüß mir die Krankenschwester und sag bescheid, das ich heute Abend wegen einer Zerrung in der Leistengegend vorbeischauen werde.“, rief mir Uwe zu als ich mich auf den Weg zur San-staffel machte.
Dem Stabsarzt erzählte ich dann nochmals meine schmerzliche Leidensgeschichte und auch er nickte mir verständnisvoll und fürsorglich. Nach einer kurzen körperlichen Untersuchung, einer Urin –und Blutentnahme stand schon seine Verdachtsdiagnose fest.
„ Flieger, soweit ich das beurteile, haben sie eine akute Nierenbeckenentzündung. Sie werden vorerst vom Dienst befreit und hier stationär Bettruhe einhalten. Die Schwester wird ihnen ihr Zimmer zeigen.“
Na das klappt ja hervorragend, dachte ich mir.
„Wir werden auch heute gleich mit Antibiotika beginnen.“, sagte noch der Stabsarzt zu mir und verließ das Zimmer. Im Austausch kam nun die Krankenschwester rein, die überhaupt nicht mein Typ war.
Sollte Uwe heute Abend kommen, kann er sich ja von diesem breitschultrigem Mannsweib massieren lassen, dann bekommt sie vielleicht noch mehr Muskeln. Die hat bestimmt auch Haare auf der Brust, dachte ich so bei mir.
Egal, ich hatte ein warmes Bettchen in einem warmen, gemütlichen 4-Bett-Zimmer, direkt am Fenster. Ja, das gefiel mir. Draußen sah ich grad unsere gesamte Inspektion vorbeimarschieren, auch unseren dritten Zug und Uwe, dem ich lächelnd zuwinkte. Diesmal lächelte er aber nicht zurück. Nur ein kurzer grimmiger Blick.
Wieder egal dachte ich. Ich war müde, mir war kalt und draußen herrschte immer noch nasskaltes Novemberwetter. Ich lag zufrieden im warmen Bettchen und schlief, zusammen mit meiner akuten Nierenbeckenentzündung, ein.
Am nächsten Vormittag, zur Visite, schauten der Stabsarzt und Schwester Brusthaar, an meinem Bettchen stehend, auf meine Laborbefunde.
„Nun, Flieger Schwanke, alle Werte im Normalbereich.“
Ich erschrak innerlich. Klasse, nun biste aufgeflogen, als medizinischer Lügenbaron enttarnt.
„Das heißt?“, fragte ich unsicher.
„Sie sind frühzeitig zu uns gekommen und wir konnten die Erkrankung rechtzeitig im Keime ersticken. Sie bleiben noch 3 Tage hier stationär, erholen sich Wochenende zu Hause und nehmen bis dahin ihre Tabletten ein. Sie werden sehen, nächste Woche sind sie wieder fit. Schönen Tag noch und gute Besserung!“ Mit diesen Worten endete die Visite.
Ich war mir nicht sicher, ob er nicht doch meinen Schwindel erkannte. Nur er sich nicht die Blöße geben wollte, seine gestrige Erstdiagnose zu widerlegen.
War mir egal. Ich erholte mich prächtig von meinen Schlafdefiziten. Zum Rauchen ging ich immer heimlich aufs Klo. Nur Uwe und ein paar Bier fehlten mir.Uwe und meine anderen Kameraden sah ich am Freitag nur flüchtig im Bus zum Würzburger Hauptbahnhof.
Zu Hause in Brandenburg tat ich eigentlich immer das, was ich immer am Wochenende tat. Mit meinen Kumpels exzessiv feiern, trinken und rauchen. Meist am Freitag beginnend mit einer feucht-fröhlichen Skatnacht. Tagsüber fanden die obligatorischen, familiären Pflichtbesuche statt. Wo bekam man sonst seine frisch gewaschene und gebügelte Wäsche her.
Der Samstagabend begann oft ruhig mit einigen gepflegten Pilsner im „Radfahrer-Halt“,einer Pinte am Nicolaiplatz und nachts versiffte ich im „Ferrum“, einer kleinen Diskothek.
Wie dann alles endete wusste ich manchmal gar nicht. Ich vertrug ja auch nicht viel. Auch Heiko traf ich diesmal dort. „Hey Sani, wie geht’s bei der Army?“
„Gut“, lallte ich.
Seine Lippen bewegten sich weiter und ich nahm an, er unterhält sich mit mir weiter. Nur die laute Musik bummerte, die Lichtanlage blitzte, der Alkohol wirkte und ich verstand kein Wort, was Heiko mir sagte. Meine Höflichkeit bewahrte ich, indem ich stetig lächelnd nickte.
Vielleicht bekam er es mit, dass das Gespräch doch recht einseitig verlief. Kurz bevor er weiterging beugte er sich zu mir rüber und schrie mir ins Ohr:
„Hey Sani, man sieht sich!“
Na klar sieht man sich. Wir kennen uns halt nur vom sehen her.

 

 

 

 
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