von T. Schwanke
  23.50 Uhr
 

 

 

Seine Augenlider schossen auf und nahmen nur verschwommene Umrisse im dunklen Schlafzimmer wahr. Sein Herz hämmerte wild und hart. So hart, als würde sein Brustkorb bei jedem Herzschlag zerbersten und das nachhallende Vibrieren seines Körpers, mitzittern lassen. Frank atmete schnell und viel zu hastig. Unüblich für jemanden, der bis eben scheinbar schlief. Irgendetwas ließ seinen Schlaf unterbrechen. Nur was?
Ein Knacken.
Nicht laut, aber deutlich hörbar. Es kam nicht aus diesem Zimmer. Kam es aus dem Kinderzimmer seines Sohnes, aus dem Bad oder aus dem Erdgeschoß. Seine Frau Jessie  lag ganz ruhig und friedlich neben ihm im Bett, atmete ruhig und gleichmäßig, wie es nur eine Schlafende tun kann.Das warme, gedämpfte Licht des Radioweckers zeigte ihm 23:50 Uhr an. Lange hatte er noch nicht geschlafen. Nach einem anstrengenden Dienst als Rettungssanitäter zappte er noch die TV-Kanäle hoch und runter, bevor Frank gegen 23:00 Uhr zu Bett ging. Der Rest der Familie schlief schon.
Da, wieder ein Knacken.
Erneut deutlich hörbar und diesmal war er sich sicher, dass es von unten kam. In seinem Brustkorb hämmerte es wie in einer Musik-Box, der man den Bassregler voll aufgedreht hat. Er konnte dieses Knacken nirgends zuordnen.Es war nicht das übliche knacken des hölzernen Kleiderschrankes, auch nicht, bei stürmischen Windböen, die Geräusche vom Gebälk des Daches.Frank und Jessie sind erst vor einem Jahr in die Vorstadt gezogen, abseits von Lärm und Trubel. Auch die Luft schien den beiden hier draußen besser und ihr gemeinsamer Sohn Tim konnte öfters im Garten spielen.Die meisten nächtlichen Geräusche konnte er schon ziemlich gut einordnen. Aber dieses?
Knack!
Da, schon wieder. Sein Puls raste immer schneller. Frank lag bis zum Kinn zugedeckt in seinem Bett und starrte leicht ängstlich nach oben, Richtung Decke.Er könnte sich doch einfach auf die Seite drehen, die Augen schließen und versuchen, wieder einzuschlafen. Wenn da nur nicht das unerträgliche Hämmern seines Herzens wäre. Wo kam nur dieses Geräusch her?
Knack!
Frank setzte sich auf. Was ist das?
Nachdem er einige Mal Luft geholt hatte, beschloss er, der Ursache auf den Grund zu gehen. Leise und vorsichtig, damit Jessie nicht wach werden würde, schlich Frank Richtung Treppe. Das Licht ließ er aus, da sich seine Augen recht gut an die Dunkelheit gewohnt hatten.Unten im Flur blieb er stehen, um zu hören, aus welcher Richtung das unheimliche Geräusch kam. Er stand im Dunkeln und lauschte. Ein leises, stetiges ticken der großen Wanduhr aus dem Wohnzimmer. Nur kein knacken. Hatte er sich das Geräusch nur eingebildet. Frank wollte sich grad umdrehen und, an sich zweifelnd, wieder ins Bett zu gehen, als ihm ein eisiger Schauer über dem Rücken zog und er fröstelnd erstarrte.
Ein Flüstern. So leise, dass er den Inhalt nicht verstand und doch so laut, das er eindeutig eine Männerstimme flüstern hörte. Vieles schoss ihm durch den Kopf. Ein Radio, das er hatte vergessen, auszumachen? Einbrecher, oder doch nur Halluzinationen? Angst überkam ihm.Oben schliefen seine Frau und sein Sohn und er stand hier unten, im dunklen Flur und hörte eine Männerstimme flüstern.Was sollte er nun tun? Versuchte er zum Telefon zu kommen, um die Polizei zu rufen? Sollte er nach oben seine Familie wecken? Panik machte sich in seinem Kopf breit. Ängste, die Frank vorher noch nie kannte. Was ist, wenn er sich nur alles einbilden würde?Ein Schritt nach vorn. Noch ein Schritt. Das Flüstern blieb und es kam aus der Küche. Frank begann am ganzen Körper zu zittern. Mit jedem Schritt Richtung Küche steigerte sich seine innere Anspannung. Es blieb ihm nichts anderes übrig. Angriff ist die beste Verteidigung, sagte er sich und tastete sich im Zeitlupentempo vorwärts. Irgendjemand ist hier, in seinem Haus und bedrohte damit, wenn auch nur indirekt, seine Familie. Er musste sie beschützen. Er liebte seine Frau, genauso seinen Sohn. Frank stand jetzt neben dem Zugang zur Küche und lauschte.Welches Geräusch war nun lauter? Das Hämmern seines aufgeregten Herzens oder die flüsternde Männerstimme, von der er immer noch nicht verstand, was sie sagte. Warum musste ihm so etwas passieren? Hier war doch nichts zu holen. Jessie und er waren weder reich noch vermögend. Alles was sie sich aufgebaut hatten, wurde erarbeitet. Wirre Gedanken und noch mehr verwirrte Fragen schossen ihm durch den Kopf. Es half nichts, er musste sich der Sache stellen. Auch wenn sie ihm unheimlich war.Trotz panischer Angst sprang Frank in die Küche und erwartete im nächsten Moment einen Schlag, einen Tritt oder irgendeinen Festhaltegriff.Nichts.Frank stand in Kampfespose mitten in seiner dunklen Küche. Aber nichts passierte. Das in Massen produzierte und abgegebene Adrenalin verteilte sich in seinem Körper und begann zugleich zu verebben. Seine Hände und Beine zitterten. Frank atmete ein paar Mal tief durch und entspannte seinen Körper. Er lehnte sich an den mannsgroßen Kühlschrank und schloss die Augen. Weiterhin nichts. Was war das? Überlegungen, ob er eventuell durch seine Arbeit überlastet war, brachten ihn auch nicht weiter. Ein Brennen, ausgehend vom Magen, stieg allmählich seinen Hals hinauf. Um Schlimmeres vorzubeugen, drehte sich Frank um, öffnete den Kühlschrank, um sich einen Schluck kalte Milch zu gönnen.
„Frank“
Die flüsternde Männerstimme. Frank hörte sie deutlich. Genau hinter ihm. Und wieder kam die Anspannung, die Angst, die Panik. Keinen weiteren Schluck schaffte er zu trinken, denn ein würgendes Gefühl in seinem Hals hinderte ihn daran. Langsam, aber wirklich ganz langsam begann Frank, sich umzudrehen. Und da stand es nun, im Dunkeln. Eine große, schwarze Gestalt, direkt vor ihm. Frank konnte in dem Moment weder Denken noch Handeln. Die Augen weit aufgerissen und der Mund offen. Er stand einfach nur da, vor dieser großen Gestalt, von der er nur die dunklen Umrisse erkannte. Wer war das und was wollte es?
Das Letzte was Frank sah, war ein silbernes Aufblitzen. Dann wurde ihm kalt. Sein Bauch begann sich zu verkrampfen und genau dort, auch zu schmerzen. Ihm wurde schwindlig. Seine Kräfte entwichen aus seinem Körper, die Beine konnten der Last nicht mehr standhalten und Frank sank zu Boden. In gekrümmter Haltung lag Frank auf dem Küchenboden. Die Schmerzen im Bauch wurden immer unerträglicher, er begann zu zittern. Die schwarze Gestalt stand einfach nur da, keine Bewegung. Franks Hände tasteten sich zum Bauch vor und ergriffen den Schaft eines Messers. Der Rest steckte in seinem zitternden Körper.
Vor seinen Augen verschwamm alles.
Schmerz, Angst, Panik, Jessie, Tim, Kälte.
Frank schloss die Augen und die Anspannung ließ nach.


Franks Augen schossen auf, sein Körper zitterte vor Anspannung und sein Herz hämmerte so stark, das es schon schmerzte. Die Atmung war unnormal schnell. Er setzte sich auf und tastete seinen Bauch ab. Kein Schaft eines Messers, kein Blut, keine Wunde. Nur ein Albtraum? Aber so realistisch wie dieser, das kannte Frank nicht.
Neben ihm lag seine Jessie und schlief friedlich. Sein Radiowecker zeigte 23.50 Uhr an.
So langsam beruhigte er sich wieder. Und doch blieb dieses Gefühl, das etwas nicht stimmte. Der Traum war so real, so lebendig. Diese Ängste, die Schmerzen und die Kälte. Frank lauschte. Kein knacken, kein flüstern. Aber er brauchte die Gewissheit. Er stand auf. Sein Ziel, die Küche. Auch diesmal ließ er das Licht aus.
Unten, in der Küche, war alles ruhig. So wie es sein sollte. Vielleicht lag es ja doch an der teilweise anstrengenden Arbeit. Nicht nur physische, sondern auch psychische Belastungen spielten eine Rolle. Er sollte mal zum Arzt, sich durchchecken lassen. Frank öffnete den Kühlschrank, um sich einen Schluck kalte Milch zu gönnen.
Knack!
Er setzte das Tetra-Pack ab und lauschte mit vollem Mund dem Geräusch, von dem er annahm, es gehört zu haben.
Knack!
Das konnte kein Traum sein. Eine Krankheit? Frank hatte mal von solchen seelischen Überlastungen gehört, wo die Leute begannen, zu halluzinieren.
Knack!
Das sind auch keine Halluzinationen. Das Knacken kam diesmal von oben. Langsam und vorsichtig schlich er die Treppe hinauf. Auch diesmal waren massive Ängste und körperliche Anspannung vorhanden. Nur diesmal kam Frank damit besser klar. Er war gefasster.
Im oberen Flur blieb Frank stehen und lauschte, wo das Geräusch herkam.Aus dem Bad, aus dem Schlafzimmer, wo seine Frau seelenruhig schlief oder…Sein Atem stockte und kalter Schauer überkam ihm. Eine flüsternde Männerstimme aus dem Zimmer seines Sohnes. Er verstand aber nichts. Das kann doch alles nicht wahr sein. Was will der von Tim? Sollte er nicht doch die Polizei rufen, denn er erinnerte sich an seinen Traum.Aber sein Sohn war in Gefahr und dessen Ängste bestimmt größer als seine eigenen. Das wollte Frank verhindern. Er war der Vater und hatte für seinen Sohn zu sorgen, ihn beschützen.
Mit einem Fußtritt stieß er die Tür zum Kinderzimmer auf und stürzte mit geballten Fäusten, zum Nahkampf bereit, hinein. Panisches Suchen nach dem unbekanntem Feind.
Nichts. Nur Dunkelheit und Stille. Seine Augen passten sich aber gut der Dunkelheit an, so dass er schemenhafte Umrisse erkennen konnte. Schlimmer war die Stille, wobei er doch bis grad eben noch die Stimme und das Knacken gehört hatte.Frank ging leise zum Bett seines Sohnes, kniete sich nieder um seinen Tim ganz nah zu sein und ihm zärtlich mit der Hand über seinen Kinderkopf zu streicheln. Was er fühlte war Kälte.Leblose Kälte.
Frank riss die Decke vom Bett und sah seinen Sohn da liegen, inmitten von soviel Blut, die Frank als Rettungssanitäter bis jetzt kaum gesehen hatte. Die Zeit schien für Frank still zu stehen. Blankes Entsetzen. Er nahm den toten Körper seines Sohnes in seine Arme. Regungslos hielt er ihn an sich gedrückt. Frank hatte Tim am Morgen noch zur Schule gefahren, bevor er selbst zur Arbeit musste. Das war das letzte Mal, das er seinen Sohn lebend gesehen hatte. Jetzt war Tim tot und er hielt seine blutüberströmte Leiche in seinen Armen.
Frank wollte schreien, aber er konnte nicht. Er wollte weinen, aber es flossen keine Tränen. Unerträgliche Fassungslosigkeit.
„Frank“
Da war sie wieder, die flüsternde Männerstimme aus seinem Traum. Oder war das gar kein Traum? Frank ahnte, was jetzt passieren würde.Er legte behutsam seinen toten Sohn in dessen Bett zurück, küsste ihn auf seine kalte Stirn und streichelte Tim noch ein letztes Mal über den Kopf. Ohne sich der Stimme zu zudrehen, stand Frank nun auf. Sein Herz hämmerte, seine Anspannung war kurz vor dem Siedepunkt und Angst breitete sich aus. Er holte ganz tief Luft. Erst jetzt war er bereit, sich seinem Schicksal zu stellen. Frank drehte sich langsam um und blickte in die Umrisse einer großen, schwarzen Gestalt.
Beide standen sich einfach nur gegenüber, lauernd, beobachtend. Frank erkannte nur die Konturen, keine Feinheiten. Sein Gegenüber schien ohne Gesicht, denn er blickte in schwarze Leere. Seine Augen konnten im Zimmer so einiges erkennen, nur nicht die Gestalt vor ihm. Es war das reine Schwarz. Was sollte er machen? Hinter im lag sein Sohn, ermordet von dem, den er nun gegenüber stand. Es war wie eine Lähmung, die Frank zur Tatenlosigkeit bestrafte. Schrei doch endlich, tu doch etwas. Mach ihn kalt, genau so, wie er es mit deinem Sohn getan hatte.Aber er konnte nicht.
Und als wenn er es geahnt hätte, sah er dieses große, silberne Messer, wie es sich mit präziser Geschwindigkeit in seinen Bauch bohrte. Da waren wieder diese krampfartigen Schmerzen. Er fühlte, wie sein Kreislauf versagte, wie all sein ganzes Blut im Körper sich an einer Stelle versammelte, um genau dort, wo das Messer steckte, auszutreten. Schwäche übermannte ihn und Frank sank zu Boden.
Kein Schmerzensschrei, kein Hilferuf konnte seinem Körper entweichen. Ihm war kalt.
Gleich war es soweit, dachte sich Frank, Vater und Sohn im Tode vereint. Beide dahingemetzelt von ein und demselben Mörder. Nur das warum war nicht klar.
Um ihn herum verschwamm alles.
Schmerz, Angst, Panik, Jessie, Tim und diese Kälte.
Frank zitterte und schloss seine Augen.

 
Franks Augen schossen auf. Sein Oberkörper schnellte nach oben. Er saß im Bett, am ganzen Körper schweißgebadet. Er atmete sehr schnell und oberflächlich. In seiner Brust hämmerte sein Herz, hart und wild. Frank hatte Angst, unbeschreibbare Angst. War er doch eben grad gestorben, ermordet von einer schwarzen Gestalt. Zweimal dahingemetzelt mit einem Messer. Mit jeder verstrichner Sekunde begab er sich in die Realität, so glaubte er jedenfalls. Aber was war die Realität?
Kein Blut, kein Messer, keine Wunde im Bauch – er lebte.
War das ein Traum? Er war so real. Er hatte gefühlt, im Traum, hatte Empfindungen. Er war tot. Tim. Auch sein Sohn war …
Frank brach seine Gedanken ab. Das war ein Traum. Es musste einer gewesen sein. Er wollte sich aber davon überzeugen. Beim aufstehen streifte sein Blick am Radiowecker vorbei. Es war 23.50 Uhr. Ein Dejavue oder Zufall? Auch in seinem Traum war es so spät.
Egal, er war Rationalist und er lebte. Also hatte er geträumt. Und doch begab sich Frank Richtung Kinderzimmer, um sich vom Befinden seines Sohnes zu überzeugen.
Seine Jessie lag, bis über die Ohren zugedeckt, im Bett und schlief friedlich.Leise öffnete er die Tür zu Tims Zimmer, schlich zu seinem Bett und fuhr ihm mit seinen Händen zärtlich durch dessen Haare. Anfangs stockte er noch, leicht ängstlich. Aber bei der ersten, warmen Berührung, drehte sich sein Sohn im Bett und schlief friedlich weiter.Genau das war es, was Frank jetzt brauchte. Eine Bestätigung, dass alles nur ein schlechter Albtraum war. Auch unten im Erdgeschoss schien alles in Ordnung zu sein. Kein blutiger Fußboden in der Küche. Friedliche Stille, kein Knacken, keine flüsternde Männerstimme.Mehr Bestätigungen bedarf es nicht, dachte sich Frank und begab sich wieder zurück ins Schlafzimmer zu seiner Frau, die immer noch komplett zugedeckt schlief und von allem nicht mitbekommen hatte.Komisch, sein Wecker zeigte weiterhin 23.50 Uhr an. Hat das wieder etwas zu bedeuten? Frank wollte nicht schon wieder grübeln, ob er träumt oder wach ist. Er wollte nicht schon wieder Ängste erleiden, Schmerzen haben. Er schob es auf ein technisches Problem, welches er morgen beheben wollte. Erleichtert über seine Entscheidung machte er es sich in seinem Bett bequem.
Er schloss seine Augen, diesmal völlig schmerzfrei und entspannt.
Jessie schien erkältet zu sein, denn sie atmete sehr schwerfällig und geräuschvoll, was ihm vorhin nicht aufgefallen war. Dieses leichte brodeln beim ausatmen. Er war nun schon einige Jahre mit seiner Frau zusammen und hatte so manche Erkältungen ihrerseits miterlebt, aber dieses Mal…
Knack!
Frank betete zu Gott, dass es nicht wahr war. Nein, er konnte nicht schon wieder in diesem schrecklichen Albtraum sein. Er hatte sich doch eben davon überzeugt, dass alles in Ordnung war.
Knack!
Sein Herz fing wieder an zu rasen, es zerschlug ihm die Brust. Das Geräusch kam direkt vor seinem Bett aus dem Kleiderschrank. Pure, nackte Angst. Was sollte er jetzt machen? Warten, bis das Messer in seinem Bauch steckt und er dann anschließend wieder wach wird? Was ist, wenn es diesmal kein Traum ist. Aber wie kann er denn zwischen Traum und Realität unterscheiden?
Jessie. Sie lag direkt neben ihm. Er wollte diesmal nicht schon wieder allein sein. Vielleicht hat das mit ihr zusammen dann ein Ende. Mit der rechten Hand versuchte er, sie zu wecken. Frank rüttelte behutsam an ihrer Schulter.
„Jessie“, flüsterte er „ Jessie, wach auf!“
„Frank
Nein, nein, nein.
Das konnte nicht schon wieder die flüsternde Männerstimme sein, die schwarze Gestalt.
Frank zitterte am ganzen Körper. So viele Ängste. Er wünschte sich, er wäre tot. Aber noch war es nicht so weit.
Wer oder was lag neben ihm im Bett? Langsam zog er die Bettdecke weg und erblickte mit weit aufgerissenen Augen die schwarze Gestalt neben sich liegen. Frank erstarrte.
Noch nie hatte Frank solche Ängste gehabt. Unbeschreibbare Gefühle, als hätte er den Teufel persönlich vor sich, der ihn mit seelischen Qualen foltern will.Wo war seine Frau? Wo war Jessie?
Knack!
Neben ihm lag der schwarze Mann, vor ihm ein Knacken im Kleiderschrank, dessen eine Flügeltür langsam begann, sich zu öffnen. Das nächtliche Grauen fand für Frank kein Ende, denn aus dem Schrank fiel die blutüberströmte Leiche seiner Frau, direkt in seine Arme.
Seine Jessie, tot. Warum tat man ihr das an? Warum wurde Frank mit solchen abartigen, seelischen wie körperlichen Qualen bestraft? Antworten konnte ihm nur die schwarze Gestalt, die immer noch tief keuchend und ihn beobachtend da lag.Und wieder hielt er eine geliebte Person in seinen Armen. Ihr Körper übersäht mit Messerstichen. Überall klebriges Blut. Diesen Anblick konnte Frank nicht stetig aushalten und schloss zwischenzeitlich seine Augen. Bilder schossen ihm durch den Kopf. Bilder von ihrer Hochzeit, ihrem Lachen, ihrem zarten Körper und ihrer blaue Augen, die immer voller Freude und Liebe waren. All das war nun vorbei. All das wurde ihm genommen. Frank öffnete seine Augen und schaute in die weit geöffneten, leblosen Augen seiner Frau. Er gab ihr noch einen letzten Kuss und ließ sie langsam von sich aufs Bett gleiten. Ganz vorsichtig und ruhig. Die Ruhe vor dem Sturm, denn Frank hatte sich schon längst entschieden, sie zu rächen. In ihm stiegen Wut und Anspannung gleichzeitig, um sich dann mit einem lauten Schrei zu entleeren und sich auf die schwarze Gestalt zu stürzen. Doch der Schrei verstummte. Frank verspürte ein weiteres Mal diesen krampfartigen Schmerz im Bauch, sackte nach hinten und blieb neben seiner toten Frau liegen. Kälte begann sich auszubreiten.
Mit seinen Händen umfasste er den Schaft des Messers, das tief in seinem Körper steckte.
Er schaffte es nicht, es raus zuziehen. Sein Körper war schon zu schwach. Überall Blut.
Frank lag zitternd auf der Seite, den Blick zu seiner Frau. Langsam begann alles zu verschwimmen. Ihm war kalt.
Schmerz, Angst, Panik, Tim, Kälte.
„Jessie, ich liebe dich!“ flüsterte er schmerzerfüllt.
Und Frank schloss seine Augen.

 
Frank öffnete seine Augen, schloss sie für ein paar Sekunden, um sie erneut zu öffnen. Es war hell im Schlafzimmer, ein neuer Tag war angebrochen.
Er verspürte kein Herzrasen, keine Schmerzen, keine Ängste. Im Gegenteil, er fühlte sich ausgeschlafen und körperlich fit für einen neuen Tag. Nur in seinem Kopf spukten wirre Gedanken der letzten Nacht. Was war alles geschehen, was hatte er erlebt? Von erleben war gar keine Rede, Frank musste den grausamen Anblick seiner toten Frau und seines Sohnes ertragen, erlitt Todesängste, um dreimal ermordet zu werden. Dann war da noch diese schwarze Gestalt, von der er weder wusste, wer oder was es war.
Ein kurzer Blick zur Seite verriet ihm, dass seine Frau schon aufgestanden war. Sein Radiowecker zeigte 8.20 Uhr an. Jessie hatte bestimmt Tim zur Schule gefahren und saß nun mit einer Tasse Kaffe in der Küche. Frank empfand Erleichterung, war es doch in seinen nächtlichen Albträumen stets 23.50 Uhr. Warum jedes Mal diese Uhrzeit? Fragen über Fragen, auf die Frank keine Antwort wusste und auch nicht bekam. Während er leicht verlangsamt seinen Körper aus dem Bett schwang, tastete er mit den Händen seinen Bauch ab. Keine Wunde. Und als Frank neben seinem Bett stand, betrachtete er sich und seine Umgebung. Kein Blut. Alles so wie immer und jeden Tag. Vielleicht sollte doch mal zum Arzt gehen, mal frei machen. So etwas, was er letzte Nacht erlebt hatte, kannte er nicht und wollte es auch nie mehr erleben. Weder im Traum, noch in Wirklichkeit.Auch im Zimmer von Tim war alles so, als sei nichts Außergewöhnliches diese Nacht passiert.
Unten in der Küche roch es nach frischem Kaffee, der Tisch war gedeckt und Jessie saß daran, versunken in einer Tageszeitung, die sie beim Bäcker, nebst frischen Brötchen, gekauft hatte. Frank stand am Kücheneingang, schaute gebannt auf seine Frau und sagte zu ihr:
„Ich liebe Dich!“
Leicht erschrocken zuckte Jessie zusammen, schaute kurz fragend Frank an und antwortete,
„Ich liebe dich auch!“, legte die Zeitung auf den Tisch, ging zu ihren Mann und umarmte ihn. Frank genoss diesen Augenblick, hielt seine Frau in seinen Armen und das so intensiv, das Jessie ihn etwas erschrocken fragte, ob mit ihm alles in Ordnung wäre.
Frank begann mit seiner schrecklichen, nächtlichen Erfahrung erst an zu erzählen, nachdem er sich Kaffee eingegossen und ein süßes Brötchen gemacht hatte. Mit schauspielerischer Gestik und Mimik berichtete er von dem Knacken, der flüsternden Männerstimme, der schwarzen Gestalt und wie dieses dunklen Etwas alle mit dem großen Messer umgebracht hatte, aber auch von seinen Ängsten, Qualen und Schmerzen. Jedes Mal zur selben Uhrzeit, um 23.50 Uhr. So beendete Frank seine ausführliche Schilderung.
Jessie saß versteinert am Tisch, schaute ratlos Frank an und brachte keinen Ton raus. Absolute Stille beherrschte den Moment, nur das monotone Klicken der Küchenuhr war da, das von den beiden aber nicht wahrgenommen wurde.
Jessie kämpfte mit ihren Tränen. Das war für eine junge Mutter viel Dramatik am frühen Morgen. Diese grausame Geschichte von Mord und Tod gingen ihr unter die Haut. Aber auch die Frage, warum ihr Mann so was nachts träumt, beschäftigte sie. Frank war erleichtert. Er hatte alles losgelassen und war sich nun sicher, dass alles nur Fantasien seines Unterbewusstseins war. Das reichte ihm schon. Er wollte so schnell wie möglich vergessen, Gras über die Sache wachsen lassen.Beide standen fast gleichzeitig auf und umarmten sich noch fester als vorher. Beide flüsterten sich Dinge wie Erholung, Urlaub gemeinsam und passiert nie wieder, ins Ohr und merkten nicht, dass draußen vor dem Haus ihrer Nachbarn mehrere Polizei und Krankenwagen mit Blaulicht vorfuhren. Was war dort los?
Jessie und Franks Nachbarn waren ungefähr im selben Alter, hatten einen Sohn und zur selben Zeit wie sie gebaut. Die Chemie stimmte und man traf sich sehr oft im Garten.
Dort schien etwas passiert zu sein.
Frank zog sich schnell einige Klamotten an und ging mit Jessie hinüber.Viele  Polizeiwagen, rechts und links die Straße absperrend, sowie Notarztwagen und schwarze Transporter, die nichts Gutes erahnen ließen. Frank erkannte beim näheren hinsehen, das es ein Rettungswagen seines Abschnittes war. Jessie versuchte indessen näher ans Haus zu kommen. Es sollte aber beim Versuch bleiben, denn gezogene Absperrbänder und Polizisten hinderten sie am Eintritt. Alles sah so unheimlich aus. In den Gesichtern der Menschen, die hier ihre Arbeit verrichteten, sah man Bedrückung und Betroffenheit.Frank und Jessie konnten nur erahnen, das hier etwas Schlimmes passiert war, aber genaueres wussten sie nicht.Erst ein Husten, dann ein Hallo und Frank sah zu seiner Linken zwei Rettungssanitäter, die er von seiner Arbeit kannte. Sie saßen, angelehnt an ihrem Rettungswagen, rauchten eine Zigarette und sahen ziemlich fertig aus. Frank zog es sofort zu seinen beiden Kollegen, um Antworten auf Fragen zu erhalten.
Viel gab es für die beiden nicht zu tun, das sah man schon beim ersten Blick. Aber der hatte auch gereicht. Beide stockten, schluckten und nahmen einen kräftigen Zug von ihrer Zigarette. Dieser Anblick war so grausam. Welch ein Gemetzel. Alle tot!
Frank sah entsetzt aus und konnte gar nicht fassen, was er grad gehört hatte. War es ein Unfall? Wie?
Einer fasste sich, holte tief Luft und berichtete weiter, dass sie beim Eintreffen alle tot vorgefunden hätten. Der Mann lag gekrümmt auf dem Küchenboden vor dem Kühlschrank, erstochen. Den Sohn fanden sie im Kinderzimmer, im Bett, aufgeschlitzt und die Frau lag blutüberströmt im Schlafzimmer, auch durch ein Messer.
Frank wurde schlecht, ihm schwindelte. Sein Herz hämmerte wie in vergangener Nacht und schmerzte. Ihm war kalt und er zitterte am ganzen Körper. Er krümmte sich leicht nach vorn, hielt seinen Bauch. Ängste, panische Ängste überkamen ihm und in seinem Kopf tobten wirre Gedanken. Seine Kollegen schauten ihn fragend an, sprachen mit ihm. Doch Frank hörte nichts. Er nahm sie kaum noch wahr. Alles drehte sich um ihn herum.
Was hatte er letzte Nacht erlebt und warum passierte ihm das? Wer war diese schwarze Gestalt? War es der Tod persönlich?
Frank taumelte und sein Blick traf auf Jessie. Vielleicht hatte sie es in seinem Gesicht erkannt oder auch von einem anderen erfahren. Sie sah ihn erschrocken und sehr ängstlich an.
Frank konnte sich kaum mehr auf den Beinen halten. Jessie rannte in Richtung ihres Mannes, doch er lag gekrümmt auf der Straße. War das der Anfang oder das Ende?
Frank zitterte, ihm war kalt.
Er vernahm viele undeutliche Stimmen, doch er verstand nichts.
Hörte er eine Männerstimme flüstern? Alles verschwamm um ihn herum.
Tim, Jessie…
Frank schloss seine Augen.

 

 

                                                                                           ENDE

 

 
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